BIERTRINKEN MIT STIL
Bierbrauen – ein Bürgerrecht
Aus meiner engeren Heimat gibt es einen festlichen Anlass
zu vermelden: Die kleine Stadt Weitra an der österreichisch
tschechischen Grenze hat ein rundes Jubiläum
zu feiern – als älteste Braustadt Österreichs. In den letzten
Jahrzehnten haben ja weltweit viele Tourismusverbände
und Stadtmarketing-Agenturen die jeweils örtlichen Brauereien
als Kooperationspartner kennengelernt und begonnen,
ihre jeweiligen Städte mit dem Etikett „Braustadt“ für
ein bierinteressiertes Publikum herauszuputzen.
Aber Weitra kann sich bei seinem Fest auf eine Urkunde
aus dem Jahr 1321 berufen – in der Stadterhebungsurkunde
aus jenem Jahr ist festgelegt, dass die Bürger das
Recht haben, Bier zu brauen. Wichtiger noch: Die Bürger
durften das Bier auch ausschenken. Es lohnt sich, die
Verhältnisse des frühen 14. Jahrhunderts in Erinnerung
zu rufen: Hat damals nicht praktisch jeder Bauer sein eigenes
Bier gebraut? Ja, durchaus – Bierbrauen gehörte
in Stadt und Land sowie in allen Siedlungsformen dazwischen
(etwa auch in Burgen oder Klöstern) ähnlich wie
Brotbacken oder Kochen zum Alltag. Aber jene Biere
waren nicht zum Verkauf bestimmt. Sie gehörten dem
Hausherrn. Und sie wurden von diesem nach eigenem
Gutdünken mehr oder weniger freigiebig an die Mitbewohner
ausgegeben. Wer mehr trinken wollte, als der
Hausherr zum Lohn dazulegen wollte, musste sich einen
Ausschank suchen.
42 · GETRÄNKEFACHGROSSHANDEL 8/2021
Die Braurechte, wie sie damals den Städten im deutschen
Sprachraum erteilt wurden, schufen eben dafür die
Grundlage: Wer Bürger einer Stadt war und ein aus Stein
gebautes Haus innerhalb der Stadtmauer besaß, durfte
nicht nur für den eigenen Haushalt, sondern auch für den
allgemeinen Ausschank Bier brauen – Kleinhäusler mit
ihren hölzernen Hütten waren von diesem Recht ausgeschlossen.
Und die Bauern ebenso: Sollte ein Hausknecht
auf die Idee kommen, in seiner kargen Freizeit die Stadt
zu verlassen, um etwa ein Bier auf einem nahen Bauernhof
zu genießen, musste er recht weit marschieren: Denn
mit dem Braurecht war regelmäßig auch ein Meilenrecht
verbunden: Im mit etwa sieben Kilometern recht weit gefassten
Umkreis der Stadt durfte niemand Bier ausschenken
– es sei denn, dieses Bier wäre bei einem Bürger der
Stadt erworben worden.
Um dieses Privileg ist klarerweise regelmäßig gestritten
worden, schließlich wollten Bauern und Gutsherrn, Klöster
und nahe Nachbarstädte ja auch ihr Bier zu Geld machen
– und die Konflikte sind in einigen Fällen sogar zu
handfesten „Bierkriegen“ ausgeartet.
Apropos Krieg: Auch wenn heute der Begriff „Privileg“
meist einen negativen Beigeschmack hat, weil es mit
ungerechtfertigten Vorteilen assoziiert wird, wurde das
Brauprivileg der jeweiligen Städte durchaus mit Bedacht
erteilt. Im Mittelalter gab es ja keine mit dem heutigen
Staatswesen vergleichbaren Verwaltungsstrukturen und
auch keine stehenden Heere. Ein Landesherr musste also
besondere Beziehungen zu seinen Untertanen aufbauen
– die Privilegien dienten der Etablierung eines besonderen
Treueverhältnisses. Wenn die Bürgerschaft durch die
Bierbrauerei ihre „Braunahrung“ hatte, konnte sie gewissen
Wohlstand erwerben. Es war daher umgekehrt seitens
des Landesherrn nur recht und billig, wenn er die Erhaltung
und Verteidigung der Stadtmauern und deren Verteidigung
gegen allenfalls ins Land eindringende Feinde
den wohlhabenden Bürgern auferlegte. Mit dem Biergeschäft
war also die Landesverteidigung engstens verbunden,
was sich dann auch in speziellen Biersteuern ausgedrückt
hat. Die gibt es bis heute. Aber das ist eine andere
Geschichte. Jetzt gilt es einmal, das alte Braurecht
von Weitra zu feiern!