Das eigentlich ausschlaggebende Moment dürfte jedoch
die Gegenreformation gewesen sein, wofür die Tatsache
spricht, dass es sich bei den ersten bildlichen Darstellungen
ausschließlich um Szenen und Gestalten aus der Bibel
handelte. Hinzu kommt, dass die Bauern in den Bergen
ebenso wie die an den Küsten im besonderen Maße den
Kräften der Natur ausgesetzt sind, weshalb ihnen von
jeher eine tiefe Frömmigkeit innewohnt.
Einer der Ersten, die diese Fassadenmalereien ausführten,
war Franz Karner, ein Köhler in Mittenwald, der sich das
Malen selbst beigebracht bzw. sich von den einheimischen
Malern abgeschaut haben soll (Abb. 3). Ich bezweifle
allerdings, dass es sich bei seinen Arbeiten um echte Fresken
handelt, denn die Freskomalerei ist eine sehr anspruchsvolle
Maltechnik, die man nicht mal so nebenbei
erlernen kann.
Was die Freskomalerei von allen anderen Maltechniken
unterscheidet, ist die Tatsache, dass die verwendeten Malfarben
keinerlei Bindemittel enthalten. Die Pigmente
werden lediglich in Wasser bzw. Kalkwasser (lasierende
Malweise) oder in Kalkmilch (deckende Malweise) angeteigt.
Die Bindung der Farben bzw. Farbpigmente auf
dem Malgrund (frisch aufgetragener Kalkputz, fresco =
ital. frisch) erfolgt allein dadurch, dass sie beim Abbinden
des Putzes mit diesem versintern, also quasi mit ihm versteinern,
was sie nahezu unzerstörbar macht.
Die Versinterung findet jedoch nur so lange statt, wie der
Putz noch feucht genug ist, also noch genügend Sinterwasser
enthält. Und hier liegt das Problem, das die Freskomalerei
so schwierig macht. Dem Freskomaler, auch
Freskant genannt, bleibt, insbesondere im Außenbereich,
Abb. 4 und 5:
Gesamtansicht
der Bemalung
des Pilatushauses
(Gartenseite)
und Ausschnitt.
Abb. 3: Die
„Immaculata“
am „Seitzhaus“
von 1770
in Mittenwald
wo durch die Luftbewegung das Trocknen und damit das
Abbinden des Putzes beschleunigt wird, nur wenig Zeit,
um seine Malerei auszuführen. Er muss also sehr flott und
vor allem sicher arbeiten, denn nachträgliche Korrekturen
sind nicht möglich.
Bei größeren Arbeiten wird deshalb immer nur so viel
Putz aufgetragen, wie der Maler an einem Tag bemalen
kann, was eine enge Abstimmung zwischen Maler und
Verputzer erfordert. Dennoch kann es passieren, dass der
Putz schon vor Vollendung des Tagwerks abzubinden beginnt,
was der erfahrene Freskomaler daran erkennt, dass
die Farbe beim Auftragen anfängt zu stocken. In dem Falle
muss der restliche Teil des Tagwerks weggeschnitten und
erneuert werden, wobei der Schnitt möglichst so zu legen
ist, beispielsweise entlang einer Kontur, dass kein störender
Ansatz entsteht.
Man sieht also, dass die Freskotechnik recht kompliziert
ist und damit auch vielerlei Risiken in sich birgt. Deshalb
suchte man schon früh nach einem Ersatz und fand ihn
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