Marktplatz Deutschland
spruchnahme verlieren. Das ist die Frage: Gelingt
es dem Handel, den Handwerker davon
zu überzeugen, den aktuellen Lieferengpass
als eine temporäre Störung zu akzeptieren
oder entwickelt das Handwerk eine grundsätzliche
Vorsicht? Dann ist ein Paradigmenwechsel
in Bezug auf die Lagerhaltung nicht
ausgeschlossen, mit Folgen für den Handel,
die weh tun.
Drei Bestellungen für eine Ware
Das neue Motto „Was man hat, hat man, was
man kriegt, weiß man nicht“ bringt ja bei
Handel und Industrie die Planung noch durch
einen ganz anderen Punkt durcheinander. Der
momentane Lieferengpass lehrt den Betrieb,
nicht nur bei einem Händler das Material für
die Baustelle zu reservieren, sondern bei dreien.
Drei Großhändler haben nun das Material
beiseitegelegt, der Handwerker wickelt den
Auftrag ab und sagt den zwei leer ausgehenden
Händlern, übrigens, meine Reservierung
können Sie auflösen. Damit erhöhen sich die
Überbestände unter Umständen dramatisch.
Ich kenne einen Mittelstands-Händler in der
Nähe von Würzburg, der hat einen Sportplatz
im Nachbardorf angemietet, dort drei Festzelte
hinstellen lassen und schiebt in die die
Ware hinein, die reserviert ist. Ich glaube, der
schläft seit Sommer nicht mehr, weil er Angst
hat, auf dieser Lawine sitzen zu bleiben.
Im Moment belasten wirklich brutalste
Schwipp-Schwapp-Effekte die Branche. Die
werdem zudem noch von Schwipp-Schwapp-
Effekten in der Weltwirtschaft verstärkt, denken
Sie nur an die Probleme in der Logistik, an
die Frachtkosten. Diese Effekte können jede
Prognose vernichten.
RAS: Ein Fazit?
Kloep: Jeder SHK-Hersteller hat in 2022
seine eigene Konjunktur. Die ergibt sich aus
Lieferrückständen, Hamsterkäufen und der
Exzellenz der Vertriebsmannschaft, um in
dem Markt klarzukommen.
Analysten gefragt
RAS: Sie haben ja einige Indikatoren zur Einschätzung
der individuellen Hauskonjunktur
genannt: die Entwicklung der Rohstoffpreise,
ein Beiwert für Hamsterkäufe, wie entwickeln
sich die Kundenkontakte in der Coronazeit
und welche Maßnahmen plant die Bundesregierung?
Analysten in Industrie und Handel
sind gefragt.
Kloep: Deshalb haben wir bei Querschiesser
entschieden, jeden Monat eine Hamsterquote
zu veröffentlichen, sodass die Industrie sehen
kann, was draußen im Handwerk wirklich
passiert. Der Sinkflug beginnt im April, damit
rechne ich. Die Absatzkurve für die Industrie
der vier Jahre 2019 bis 2022 wird keine gerade
Steigung sondern eine Sinusschwingung
mit einer beachtlichen Amplitude nach oben
und nach unten sein. Die Mittellinie wird aber
ein Plus von 5 Prozent pro Jahr in Ware zeigen
dazu addiert sich für das Handwerk der
Arbeitslohn.
RAS: Mit welchem Umsatz pro Beschäftigten
rechnet das Handwerk?
Kloep: Einen Monteur kann man im Mittel
mit 150.000 bis 165.000 Euro Umsatz bewerten.
Der Materialanteil liegt ungefähr bei der
Hälfte, also 1:1 Arbeit zu Ware. Vor zwanzig
Jahren lag der Umsatz bei ungefähr 100.000
Euro. Der Produktivitätsfortschritt, so muss
man es ja nennen, liegt im SHK-Handwerk bei
1,5 Prozent im Jahr.
RAS: Sie sehen nach wie vor eine Verschiebung
in Richtung Heizung?
Wer hat die Kompetenz?
Kloep: Definitiv. Der SHK-Handwerker ist im
Moment eher ein Heizungsbauer als ein Bäderbauer.
Einfach auch durch die Fördersituation,
durch die Kundenwünsche und durch
die Art der Aufträge. Mit der Heizung kann
der Handwerker Wartungsservice und solche
Dinge mit anbieten, die den Auftrag insgesamt
noch attraktiver machen.
RAS: Sind denn die Anlagenbauer auch
kompetenter geworden? Der Technologieanspruch
ist ja gestiegen. Auf dem Papier ist
ein System aus Photovoltaikanlage, Batteriespeicher,
Wärmepumpe, Eisspeicher zum
Heizen und Kühlen hochspannend, aber nur
von relativ Wenigen optimal realisierbar. Dazu
kommen eventuell noch der Kältetechniker,
der Dachdecker wegen der Dachlast, der
Elektroinstallateur und mittlerweile auch der
Systemintegrator.
Kloep: Sagen wir es so: Die Partnerschaft
hat die Kompetenz. Die Industrie geht dem
Betrieb zur Hand. Bei der Wärmepumpe bietet
sie ihm die Programmierung der Regelung,
die Inbetriebnahme, das Optimieren der Jahresarbeitszahl
und mehr an. Für den Handwerker
heißt das, er kann in neue aufkommende
Technologien einsteigen, ohne sich
tiefer mit der Materie befassen zu müssen.
Aus Sicht der Industrie eine ideale Entwicklung,
weil sie nicht nur die Wertschöpfung
am Gerät, sondern auch die Wertschöpfung
am Service hat. Aus Sicht des Handwerkers
ist das allerdings der Strick, an dem er sich
eines Tages selbst aufgehängt haben wird.
Ich verstehe die Handwerker, die im Moment
unter den knappen Kapazitäten die Hilfe, die
ihnen angeboten wird, annehmen. Aber sie
dürfen sich nicht davon befreien, eine Technologie
zu erobern, im Sinne von zu beherrschen.
In ein paar Jahren werden wir draußen
viele Leute haben, die Wärmepumpen installieren,
aber nicht wissen was sie tun. Das
weiß der herbeigerufene Industriemann. Dieses
Geschäftsmodell verfolgt die Industrie ja
schon seit langem.
RAS: Beziehungsweise im Verbund mit den
Versorgern. Mehr Strom verkaufen zu wollen
ist verpönt. Passt nicht mehr in die heutige
Zeit. Also Contractingmodelle. „Wärmeservice“
heißt das nicht mehr ganz neue Schlagwort.
Kloep: Das Credo der Versorger, zukünftig
mit der Dienstleistung das Geld machen zu
wollen, hat für den Kunden den Vorteil, dass
sämtliche Wartungs- und Servicegebühren
inklusive Anschaffungspreis zu einem monatlichen
Nutzungspreis verrechnet werden.
Der hohe Anschaffungspreis fällt also weg.
Durch die Intransparenz generieren die Anbieter
vor allem höhere Preise. Mittlere und
kleinere Heizungsbauer mutieren dadurch
zum reinen Dienstleister der Hersteller oder
„KI analysiert die Datenströme besser
als jeder Berater“, Arno Kloep
14 RAS | DEZEMBER 2021 www.ras-online.com
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