Marktplatz Deutschland
Kloep: Ja. So und dann schauen wir mal,
wohin die Sanitär- und Heizungsindustrie
tendiert. Bleiben wir bei den Produkten: Die
höchsten Indizes haben die bekannten Verdächtigen
Gasbrennwert, Wärmepumpen,
PV-Module und überraschend auch Klimaanlagen.
Nun hatten wir ja von der Bewertung
der Indizes gesprochen. Ein Wert von 80
bedeutet einen Zuwachs von 8 Prozent. Wenn
vorher wenig Umsatz war und der klettert um
8 Prozent, ist immer noch kein Umsatz da.
Wenn Gasbrennwert einen Umsatzzuwachs
von 8 % hat, werden aus 500.000 Einheiten
540.000 Einheiten. Das ist die eine Seite
solcher Kennzahlen. Die andere Seite ist die,
dass die Formel, geteilt durch zehn gleich Zuwachs
in Prozent, nur für die Massenware
gilt, die von der Mehrheit der Betriebe verarbeitet
wird. Wenn einige wenige Firmen die
Umsatzträger sind, müssten wir die bei der
Befragung auch treffen. Ich denke jetzt an
mehr oder weniger Exoten wie Brennstoffzelle
und BHKW.
RAS: Das fällt selbst bei den Wärmepumpen
auf. Nach Ihren Zahlen beschäftigen sich
ernsthaft nur zehn Prozent der Anlagenbauer
damit. Die anderen 40.000 oder 45.000 erwarten
oder erhoffen sogar keine Steigerung,
weil sie nichts damit zu tun haben wollen,
stellen aber das Gros Ihrer Interviewpartner.
Die zerren den Index herunter, der wahrscheinlich
200 oder 300 betragen würde,
wenn sie alle wärmepumpen-affinen Betriebe
via Call-Center treffen würden. Insofern ist
der Index 82 doch sehr aussagekräftig, weil
er trotz dieser Schwäche die Wärmepumpen
auf Rang 1 hievt. Demnach scheint da im
nächsten Jahr die Post abzugehen.
Vorteile der Fachschiene
Kloep: Ja, Duschabtrennungen, flache Brausetassen
– Produktgruppen, die in Richtung
barrierefreies Bad gehen.
Am Tau schieben
RAS: Wegen des demografischen Wandels
oder wegen der staatlichen Zuschüsse?
Kloep: Beides ist der Grund. Genau genommen
hat es aber keinen großen Wert,
im Moment irgendetwas groß und zusätzlich
zu subventionieren. Wir am Niederrhein
sagen immer, du kannst am Tau nicht schieben.
Das ist der Punkt. Was nützt es, Subventionen
rauszuhauen, wenn der Handwerker
überlastet ist.
RAS: Die Förderung versickert im Preiszuschlag.
Kloep: Den gönne ich ja der Branche. Nur
hilft das dem Klima nicht. Es besteht ein großes
Logikproblem. Wir können mit Hilfe staatlicher
Anreize vor allem erneuerbare Technologien
nicht nach vorne bringen, solange wir
keinen Weg finden, am Engpass Montagekapazität
vorbeizukommen.
RAS: Sie trugen vor, über 40 Prozent lehnen
bereits Aufträge ab.
Kloep: Genau. Man kann nicht in eine Branche,
die unter Volldampf arbeitet, noch Nachfrageanreize
schieben. Die Politik täte besser
daran, die Subventionen in eine Werbekampagne
für die Ausbaubranche umzuwandeln.
Würde sie 60 bis 100 Mio. Euro für eine Aktion
ausgeben „Werdet SHK-Handwerker – ein
Beruf mit Einkommen und Zukunft“, würden
vielleicht 30.000 oder 40.000 Auszubildende
und Fachkräfte mehr in die Branche kommen.
Wir würden Lehrlinge haben, die Montagekapazitäten
würden steigen, die Klimaziele
blieben nicht in weiter Ferne und nach fünf
Jahren könnte man wieder ein Anreizsystem
fahren. Wenn ich Umweltminister wäre, würde
ich es genauso machen.
Künstliche Intelligenz
RAS: Das hat selbst der BDI Bund der Deutschen
Industrie auf der Pressekonferenz im
Oktober in Berlin vorgeschlagen, als er seine
groß angelegte Marktstudie Klimapfad 2.0
vorstellte.
Zu einem Ihrer Themen in Düsseldorf gehörte
KI, Künstliche Intelligenz. Kann es sein,
dass ein Großhändler dem Endverbraucher
durch gezielte Fragen und Antworten von
Alexa oder Siri den individuellen Umbauwunsch
ausarbeiten und am Bildschirm
zeichnen respektive variieren lässt? Der
Grossist kann ja sämtliche Produkte und
Alternativen einspielen. Eine ausgeklügelte
Software schlägt vermutlich jeden Bad- und
Heizungsberater.
Kloep: Davon bin ich fest überzeugt. Hinter
diesen Geräten stecken ja große mathematische
Programme. Die einen sagen, künstliche
Intelligenz. Aber vom Prinzip her sind das
statistische Algorithmen, die da arbeiten. Ich
bin mir sicher, dass wir über Expertensysteme,
wie auch immer man die nennen möchte, ein
Großteil der Gespräche standardisieren beziehungsweise
den Kunden so lenken kann,
dass ihm eine Internetplattform detailgenau
seine Wunschvorstellung anbietet. Die Maschine
stellt ihm die gleichen Fragen und
noch einige zielgenauere wie der Berater in
der Ausstellung: Wie alt sind Sie? Wie groß ist
Ihre Familie? Ist schon jemand gehandicapt?
Welche Abmessungen hat der Grundriss Ihres
Bades? Von wo kommt die Sonne? Die Algorithmen
sind da. Dazu addiert sich der Amazon
Effekt: Das haben andere Badrenovierer
noch gekauft… Solche Prozesse werden wir
auf jeden Fall erleben. Bei der Heizung fragen
Alexa oder Siri nach der beheizten Fläche, dem
Temperaturwunsch, Erdreich oder Luft, mit PV
und so weiter. Hinterlegt sind ein paar hundert
Schemen, die Verrohrung, die Verkabelung,
das Energiemanagement. Nach zwei Stunden
erhalten Sie das komplette maßgeschneiderte
und optimierte Angebot. Wie bei Möbeln können
sie nur liefern oder auch aufstellen lassen.
Die Zukunft ist Vernetzung
Was heißt denn Künstliche Intelligenz? Heute
müssen wir noch Daten und Datenströme
quasi analog interpretieren, wenn sie uns
vorliegen. Wir reagieren darauf. Irgendwann
werden die Maschinen, wenn sie eine große
Anzahl von Aktionen und Reaktionen abgespeichert
haben, in der Lage sein, Muster zu
erkennen, sprich eigene Schlüsse zu ziehen
und selbst zu reagieren, etwa mit einer eigenen
Reparatursoftware, wenn die Störung
nicht den Austausch von Bauteilen notwendig
macht. Auch daran arbeitet doch bereits
die Heizungsindustrie. Der Produktqualität
kann das zugutekommen, sicherlich aber
nicht der klassischen Vertriebsschiene. Und
das ist nicht die Welt von übermorgen, das
ist die Welt von morgen. Solange noch Hard-
Vorteil der Fachschiene Prozent
persönlicher Kontakt 20,4
Beratung 19,6
Service 14,2
Fachkompetenz 12,3
vor Ort 8,5
Ausführugnsqualität 5,8
Flexibilität 5,4
Garantie, Gewährleistung 5,0
Zuverlässigkeit 2,3
Andere Aspekte 6,5
Vorteile Vertriebsschiene
16 RAS | DEZEMBER 2021 www.ras-online.com
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