Springer Gabler Kontakt aufzunehmen. Der
Verlag musste dann bewerten, inwieweit
das Thema zu seinem fachlichen Angebotsspektrum
passte. Da es zu dem von
uns gewählten Thema noch keine Literatur
gab, erhielten wir schließlich das „Go“
vom Verlagslektorat. Es folgte die Anfrage
entsprechender Co-Autoren unsererseits,
was natürlich durch die Auswirkungen der
Corona-Situation deutlich erschwert wurde.
Schließlich starteten wir mit dem Schreiben
inmitten der Pandemie. Die damit verbundene
Literatur-Recherche gestaltete sich
neben unserem Daily Business mitunter als
aufwendig und schweißtreibend. Ursprünglich
hatten wir bereits Ende 2020 die Fertigstellung
des Manuskriptes geplant, diese
zog sich dann leider bis Mai 2021 hin.
GFGH: Inwieweit sehen Sie eine häufige
Diskrepanz in der Markenwahrnehmung
aus Unternehmens- und aus Konsumentensicht
und wie muss damit umgegangen
werden?
Dr. Lebok: Es handelt sich um den oft begangenen
Fehler, dass von feststehenden
Thesen wie „Das ist die Marke...“ oder „Die
Marke will...“ unternehmensseitig ausgegangen
wird. Was ich im Unternehmen
glaube, was meine Marke zu sein hat,
muss einen Dreck an Bedeutung bei den
Menschen „draußen“ haben. Entscheidend
ist es, Reize zu senden, die für eine
Marke zu begeisternden Menschen auch
relevant sind – die richtige Botschaften
verbreiten und die Markensprache besser
in den Köpfen der Verbraucherinnen und
Verbraucher verankern.
Heute verzücken viele Marketer und
Werbetreibende Theorien, die den „Purpose“,
12 · GETRÄNKEFACHGROSSHANDEL 1/2022
also den Zweck oder tieferen Sinn
einer Marke, als die Halsschlagader einer
Ertrag steigernden Markenführung betrachten.
„Purpose“ ist zwar wichtig, er
wird aber in Marketing-Fachkreisen überbewertet.
Denn letztlich kaufen wir Menschen
in bestimmten Einkaufssituationen
dann doch die Dinge ein, die uns intuitiv
eine Alltagserleichterung bieten. Oder beschäftigen
Sie sich beim schnell zu erledigenden
Einkauf von Grill-Getränken damit,
ob die Haltung der Marke A besser ist als
von B oder wie sich der Purpose von C
zu D unterscheidet? Das würde Minuten
dauern – und das für jedes Produkt? Never
ever – context matters!
Wenn Unternehmer oder Markenverantwortliche
darüber hinaus dem Konsumenten
über ihre Werte, Haltung oder sagen
wir: Purpose zusätzlich ein gutes Gewissen
schenken bzw. zu gesellschaftlich-vorbildlichem
Verhalten animieren wollen, dann
ist das gut für die Unternehmensführung,
aber nicht zwingend entscheidend dafür,
welche Marke letztlich im jeweiligen Kontext
das Rennen macht.
GFGH: Sie sprechen in Ihrem Buch vom
alltäglichen bzw. Gewohnheitsverhalten
des Konsumenten. Wie muss sich also eine
Marke heute positionieren, um in diesem
als solche wahrgenommen zu werden?
Vor jedem Storytelling gilt:
Jede Marke muss für sich
bereits den eigenen Fokus
gefunden haben.“
Dr. Lebok: Mit unserer Marke müssen wir
ein Stück weit mehr mit dem Alltag unserer
Verbraucher verschmelzen und uns die
Frage stellen, inwieweit unsere Marke für
bestimmte Situationen überhaupt noch alltagstauglich
ist oder in Zukunft sein kann.
Zur Beurteilung von Entscheidungskontexten
in digitalen Räumen bieten künstliche
Intelligenzen immer mehr Möglichkeiten.
Auch für Getränke wird sich Vieles
an Kundenansprache und Entscheidungskontexten
in die Online-Welt verschieben,
insbesondere wenn es sich um
ganz spezielle Produkte wie besondere
Biere, Whiskys oder Rumsorten etc. handelt.
Aber für den Massenkonsum und die
neuen Verbrauchergenerationen mit größerer
Beliebigkeit und geringem Markenwissen
wird die Verschmelzung digitaler
und analoger Erlebnis-Welten weiter an
Fahrt zunehmen. Aber selbst im analogen
Leben sind Getränke-Marken noch zu selten
Context Heroes …
GFGH: Wie kann das gelingen?
Dr. Lebok: Um bei dem vorhin angeführten
Beispiel „Frühstücksbier“ zu bleiben:
Wenn ich eine Marke hätte, die sich auf
dieses spezielle Produkt fokussiert, dann
muss das auch in gewisser Weise inszeniert
werden. Es gilt Erlebnispunkte zu setzen,
die die Menschen nacherleben können
und die auch in den digitalen Kanälen
ein Rolle spielen müssen. Ist die Aufmerksamkeit
auch auf Social Media entsprechend
hoch, gilt es das Interesse über weitere
Aktivitäten anzukurbeln. Es ist ohnehin
davon auszugehen, dass analog zwar
nicht verschwinden, die Welt aber insgesamt
hybrider werden wird.
Ein zentraler Kontext sollte dominiert bzw.
sogar eine Art Kontextmonopol gebildet
werden, was die Menschen dahin lenkt,
sehr schnell und sehr intensiv an eine spezielle
Marke zu denken, weil diese situationsbedingt
am stärksten verknüpft wird
oder bestimmte Kontextbeziehungen quasi
automatisch auf diese ein Marke hinleiten.
GFGH: Wie steht es um eine Markenverlagerung
in digitale Welten?
Dr. Lebok: Diese wird weiter zunehmen,
damit gehen auch Themen wie verstärkte
Robotisierung und Automatisierung
einher. Bestätigt wird diese Entwicklung
schon jetzt durch die Generation Z,
die diesem Thema am aufgeschlossensten
gegenübersteht. Die junge Generation
braucht keine belehrenden Produkt-
oder Markenabhandlungen, vielmehr ist
ein spielerischer Zugang oft relevanter und
spannender.
Die Generationenansprache spielt also
eine große Rolle. Am Beispiel Bier: Einfach
nur den Brauer vornewegzustellen
und zu sagen „Ich braue gutes Bier“, ist
heute schon zu wenig. Auch ist das Bild
der Region in der Generation Z ein anderes
und nicht mehr 1:1 vergleichbar mit
den Vorgängergenerationen. Der Differenzierungsgrad
ist unterschiedlich stark
ausgeprägt.
GFGH: Sie sprachen gerade die verschiedenen
Generationen an. Inwieweit wird
in dem neuen Buch auf diese gezielt mit
dem Bezug zum Context-Marketing eingegangen?
Dr. Lebok: Im dritten Teil des Buches ist
ein Beitrag speziell der Generation Z gewidmet.
Das Postulat der Unmittelbarkeit
ist ihnen extrem wichtig: „Hier und
jetzt oder gar nicht...“ lautet oft die unausgesprochene
Devise der jungen Konsumenten.
Heißt: Wenn ein Produkt digital
anspricht, dann muss es möglichst
sofort verfügbar sein. Das ist eine große
Herausforderung, sonst wendet sich diese
Alterskohorte ab und greift zu einem anderen
(tauglicheren, verfügbaren) Produkt.
GFGH: Das heißt, ohne „schnelle Verfügbarkeit“
hat eine Marke eigentlich schon
verloren?
Dr. Lebok: Bereits der renommierte Marketing
Professor Byron Sharp hat belegt,
dass eine Marke physische und mentale
Context-Marketing
In Zeiten der Zuvielfalt wird das Konsum- und
Entscheidungserhalten der Menschen immer intuitiver,
automatisierter und weniger differenziert.
Auch die Markenwahl erscheint sprunghafter und
das Kaufverhalten der Verbraucher wirkt illoyal.
Rückt aber der Kontext einer Entscheidungssituation
in den Fokus der Betrachtung, lässt sich
nachweisen, dass sich die Konsumenten weiterhin
durchaus konsistent verhalten. Alltagskontexte
steuern über den Autopilot menschliche
Entscheidungen und öffnen dadurch Verbraucher
schneller für Marken. Consumer Insights
sind deshalb heute ohne Context Insights nur die
Hälfte wert.
Dieses Buch zeigt anhand von Best-Practice-
Beispielen neue Wege für erfolgreiche Markenführung
trotz Informationstsunami und digitaler
Schnelllebigkeit auf. Alltagskontexte und neueste
Forschungsergebnisse der Behavioral Economics
werden berücksichtigt. Die Praxisperspektive
von Marketingexperten aus Agenturen,
Beratungen und Unternehmen steht im Vordergrund
und faszinierende Erkenntnisse und vielversprechende
Ansätze helfen, Marken mittels
Context-Marketing für die Zukunft relevanter und
marktwirksamer zu entwickeln. Branchenübergreifende
Markenerfolgsbeispiele sowie ausgewählte
Expertenbeiträge
aus Zukunftsforschung,
Digitalmarketing, Sozialpsychologie
und Kommunikationsdesign
runden
das Werk ab.