GETRÄNKEFACHGROSSHANDEL 1/2022 · 21
timistisch, dass wir durch die genannten
Maßnahmen die Effizienz des Gesamtsystems
weiter erheblich verbessern.
GFGH: Inwieweit ist man mit der Gründung
zweier Poolsteuerungsgesellschaften
der Brauwirtschaft einer Lösung der
Leergut-Sortierproblematik in diesem Bereich
nähergekommen. Wie schätzen Sie
hier die weitere Entwicklung ein?
Guder: Wir begrüßen diese Aktivitäten für
gelenkte Pools ausdrücklich. Besonders
zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang
die bereits erfolgte Entscheidung
der Radeberger Gruppe, auf ihr 0,33-Liter
Individualgebinde zu verzichten und
auf das Poolgebinde zurückzugehen. Wir
hoffen auf baldige Nachahmer! Aus unserer
Sicht noch besser wäre allerdings
eine Zusammenfassung dieser Aktivitäten
in nur einer Gesellschaft. Eine Einführung
von neuen Individualflaschen ist
jetzt vor diesem Hintergrund aus unserer
Sicht nicht mehr sinnvoll. Je mehr Brauereien
sich an einem gelenkten Pool beteiligen,
desto geringer wird der Sortieraufwand,
die Transportwege verkürzen sich,
die Komplexität im Handel und bei den
KonsumentInnen verringert sich und zu
guter Letzt wird insgesamt nachhaltiger
gehandelt und die Umwelt weniger belastet.
Dasselbe gilt letztlich auch für die
Mineralbrunnen- und Fruchtsafthersteller.
GFGH: Die vergangene 8. ReUse-Konferenz
musste zwar coronabedingt online
stattfinden, konnte aber mit gut 400
Teilnehmern einen neuen Rekord verbuchen.
Inwieweit wird das Thema Mehrweg
auch auf europäischer bzw. internationaler
Ebene spürbar vorangetrieben, wie bewerten
Sie die Entwicklungen?
Guder: Dass der Stellenwert dieser Veranstaltung
bei der Politik erheblich gestiegen
ist, zeigt die Tatsache, dass die stellvertretende
Generaldirektorin der Generaldirektion
Umwelt zu Beginn der Veranstaltung
eine Keynote hielt, in der sie die
ambitionierten Ziele der EU-Kommission
innerhalb des „Green-Deals“ unterstrich.
Die österreichische Umweltministerin
Leonore Gewessler sowie der grüne
Europa-Abgeordnete Sven Giegold, der
nach aktuellen Meldungen nun beamteter
Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium
werden soll, forderten in ihren
Beiträgen ehrgeizige Maßnahmen für die
konsequente Mehrwegförderung. Dazu
sollten verbindliche Abfallvermeidungsziele
und Wiederverwendungsquoten
festgelegt werden.
Der Circular Economy Action Plan der
EU-Kommission sieht vor, dass bis 2030
jede Verpackung auf dem EU-Markt entweder
wiederverwendbar oder recycelbar
sein soll. Um diese Ziele zu erfüllen, gibt
es eine Vielzahl unterschiedlichster Aktivitäten.
Hinzu kommt, dass das EU-Parlament
in seiner Resolution zum Circular
Economy Action Plan explizit Mehrweg
unterstützt und im Zusammenhang mit
der Abfallhierarchie und dem niedrigeren
CO2-Fußabdruck eine stärkere Förderung
nachdrücklich einfordert. Derzeit werden
in einigen Arbeitsgruppen über Veränderungen
der europäischen Richtlinien
und Direktiven diskutiert. Ziel ist wohl,
bis Anfang 2022 zu einem entsprechenden
Vorschlag zu kommen, der dann zur
Diskussion und späteren Beschlussfassung
an das Europäische Parlament und
an die Mitgliedstaaten weitergeleitet werden
soll.
GFGH: Derzeit laufen zwei wichtige Projekte
beim Umweltbundesamt zu Entschließungen
des Bundetages zu weiteren
Maßnahmen hinsichtlich der Förderung
von Mehrweggetränkeverpackungen.
Dazu gab es zwei Praxisdialoge, bei
denen auch der Verband Pro Mehrweg
maßgeblich beteiligt war. Können Sie
dazu Näheres sagen?
terreich ja bereits Mehrwegquoten für
Handelsunternehmen geben. Dies zeigt,
dass eine solche gesetzliche Regelung
für Deutschland nur mit einer Übergangsfrist
realisierbar ist. Sie wird auf
jeden Fall auch eine veränderte Wettbewerbssituation
zwischen den Marktakteuren
hervorrufen. Bekanntlich führen
Getränkefachmärkte zu 95 Prozent
Mehrwegprodukte. Wenn nun in einem
ersten Schritt zum Beispiel eine 30-prozentige
Mehrwegquote als Verpflichtung
für die Harddiscounter ausgesprochen
würde, stünden diese Vertriebsformen
und Getränkefachmärkte zukünftig im
direkten Wettbewerb. Es ist allerdings zu
vermuten, dass sich die Harddiscounter
dann auf wenige bekannte Marken
konzentrieren, sodass für den Getränkefachmarkt
Themen wie Sortimentsbreite,
Sortimentstiefe und regionale
Produkte sowie die Nachhaltigkeit für
die eigene Positionierung genutzt werden
könnten.
Das Umweltbundesamt hat verlautbart,
dass man aufgrund der intensiven und
kontroversen Diskussionen im Fachgespräch
ein zusammenfassendes Papier
erstellen will, zu dem nochmals von allen
Akteuren Stellung genommen werden
kann. Inwiefern es dann von der neuen
Hausleitung im Bundesumweltministerium
als Handlungsvorschlag übernommen
wird, bleibt abzuwarten.
Ein zweites Projekt des Umweltbundesamtes
befasst sich mit einer „zukunftsgerichteten
ökobilanziellen Betrachtung von
Getränkeverpackungen“. Das Vorhaben
steht noch am Anfang und soll bis 2023
andauern. Auch hierbei ist Pro Mehrweg
eingebunden und vertritt die Interessen
seiner Mitglieder im sogenannten „Begleitkreis“.
GFGH: Wo sehen Sie die größten He-
rausforderungen für das Mehrwegsystem
in der nächsten Zeit und was sind die vorrangigen
Ziele, die Sie sich mit der Verbandsarbeit
gesteckt haben?
Guder: Natürlich streben wir ein weiteres
Mitgliederwachstum an, das uns auch
eine breitere finanzielle Basis verschafft
und weitere Aktivitäten ermöglicht. Wir
werden jetzt schnell auf die neuen politischen
Verantwortlichen zugehen und
dort den Dialog über Maßnahmen zur
Mehrwegförderung intensivieren. Genauso
schnell sollten wir allerdings auch
als Branche unsere Hausaufgaben zur
Nach- und Neujustierung des Getränke
Mehrwegsystems angehen. Hierbei
ist jeder Marktbeteiligte aufgefordert, gewisse
Egoismen hintenanzustellen und
im Sinne des großen Ganzen zu handeln.
Denn ,Mehrweg ist Zukunft!‘
GFGH: Herr Guder, wir wünschen Ihnen
viel Erfolg und bedanken uns für dieses
Gespräch.
Nach wie vor bleibt unsere
Kernforderung nach Einführung
einer Lenkungsabgabe
auf Einweggetränkeverpackungen
zusätzlich
zum Pfand bestehen!“
Guder: Mittlerweile gab es im Rahmen
des ersten Projektes auch noch eine
dritte Veranstaltung in Form eines Fachgesprächs,
bei dem die Ergebnisse der
ersten beiden Praxisdialoge präsentiert
wurden. Das Umweltbundesamt will mit
diesem Projekt erste Überlegungen zur
Stärkung des Mehrwegsystems vor dem
Hintergrund der genannten Entschließungen
des Bundestages vorstellen.
Im Gespräch sind eine Steuer auf Einwegverpackungen
sowie verbindliche
Mehrwegquoten für den Handel. Eine
Steuer zusätzlich zum bestehenden Einwegpfand
ist nach Ansicht der vom Umweltbundesamt
mit der Prüfung beauftragten
Juristen angeblich einfacher zu realisieren.
Wir favorisieren demgegenüber
– wie bereits erwähnt – die Lenkungsabgabe
mit deren Hilfe die Einnahmen
zielgerichtet zugunsten von Mehrweg,
Mehrwegschutz und Mehrwegförderung
zur Verfügung gestellt werden könnten.
Dies und Fragen zur rechtlichen Zulässigkeit
einer Lenkungsabgabe haben wir
auch in einem Rechtsgutachten beantwortet.
Eine Steuer – die nebenbei auch
für Mehrweg gelten würde – könnte dagegen
im Haushalt des Finanzministers
„verschwinden“.
Auch über eine verbindliche Mehrwegzielquote
wurde diskutiert. Nach meiner
Information soll es ab 2024/2025 in Ös