HUMULUS LUPULUS … und andere bittere Wahrheiten
Pils kaltgehopft – aber bitte mit
richtigem Hopfen
Pils, Helles, Export – die hellen Untergärigen feiern ihre
Wiedergeburt als „moderne Lagerbiere“. Sie folgen auf
das IPL (India Pale Lager), das sich stilistisch ans IPA anlehnt.
Nicht immer sind die neuen hellen Lager kaltgehopft.
So zum Beispiel das Berliner Landbier (2021, 5 Vol.-%) von
Fuerst Wiacek, das klassisch mit Dekoktionsmaische und
Kesselhopfung gebraut ist. Einige spielen jedoch die Hopfenkarte
voll aus wie beispielsweise Brewdog mit „Kieszkeule“,
einem Dry Hopped Dortmunder Export (2019, 5,8 Vol.-%)
oder Blechbrut zusammen mit Arpus Brewing aus Lettland
beim kaltgehopften Pils „Ferngespräch“ (2021, 5,6 Vol.-%).
Beim Brauen gilt zu beachten, dass ein kaltgehopftes Lager
nicht einfach nur ein untergäriges IPA ist. Es gehört mehr dazu,
ein balanciertes gestopftes Pils, Helles oder Export hinzubekommen.
Alles beginnt mit der Wahl der Hopfensorten. In untergärigen
Bieren wirken stark fruchtige Hopfensorten wie
Citra, Mosaik oder Ekuanot aus USA, Galaxy und Vic Secret
aus Australien oder europäische Neuzüchtungen wie Callista
oder Monroe in höheren Dosagen bei der Kalthopfung
manchmal parfümiert oder aufgesetzt.
Einen guten Hinweis geben die Aromastoffe des Hopfens.
So lassen sich zwei wichtige Gruppen ausmachen: Mengenmäßig
am stärksten vertreten sind das Monoterpen Myrcen
und die Gruppe der Sesquiterpene. Diese werden den
Flavorkategorien krautig, würzig und holzig zugeschrieben.
In geringeren Mengen treten die Stoffgruppen der
Terpenalkohole und -ester, Ketone, Isobuttersäuremethylester
und Thiole auf. Sie gelten als verantwortlich für Aromen
in den Kategorien Zitrus, süße Früchte, grüne Früchte
und rote Beere.
Das Verhältnis zwischen Aromastoff und Aromaeindruck ist
wohlgemerkt nicht linear, weder qualitativ noch quantitativ:
Das mengenmäßige Vorkommen steht in keiner Relation zur
Intensität des sensorischen Eindrucks. Zudem sind die Interaktionen
der Stoffe untereinander unüberschaubar und
können zu vielfältigen, überraschenden Aromaeindrücken
führen. Letzteres gilt einmal mehr für den Aromatransfer
ins Bier. Was man jedoch von der stofflichen Zusammensetzung
ableiten kann, ist das Interaktionspotenzial einer
Hopfensorte. Je breiter das Spektrum der Stoffgruppen, um
so größer das Potenzial chemisch zu interagieren und sensorisch
zu harmonisieren. Christina Schönberger, Brewing
Solutions Team Manager bei BarthHaas, betont: „Typisch
für die klassischen europäischen Hopfensorten ist ein ausgewogenes
Aromaprofil. Die Intensitäten im kräuterartigen,
holzig-würzigen und grüngrasigen Bereich halten sich die
Waage mit moderaten Fruchtnoten, meist Zitrusfrüchten.“
Nicht zufällig haben sich demnach die Landsorten Tettnanger,
Saazer, Hallertauer und Spalter und deren Ableger
wie Perle und Select für untergärige Bierstile als Hopfensorten
der Wahl erwiesen. Der schlanke Körper dieser Stile,
ihr moderater Alkoholgehalt und ihre durstlöschende Struktur
fordern ein feinsinniges, ausbalanciertes und harmonisches
Aromenprofil, das zum Weitertrinken animiert. Die
untergärige Hefe bringt zudem, anders als Ale-Hefe, keine
eigenen Aromen ein, die extreme Fruchtnoten aus dem
Hopfen stützen und integrieren könnten.
Auf diesen Trichter sind auch amerikanische und ihnen voran
italienische Craft-Brauer gekommen. In den USA macht
das „Italian Pilsner“ von sich reden. Der neue Trend geht
zurück auf Biere wie das legendäre Tipopils, das Agosto
Ariolo mit seiner Birrificio Italiano im Jahr 1996 lanciert
hat, und auf „Viaemilia“, ein Kellerbier das Giovanni Campari
mit seiner Birrificio del Ducato 2007 herausbrachte.
Beide Biere sind mit europäischen Landsorten kaltgehopft.
Beide Biere haben nachweislich amerikanische Brauer inspiriert.
Allen voran Matt Brynildsen von Firestone Walker,
der daraufhin das „Pivo Pils“ kreierte. Kürzlich folgten
weitere Brauereien wie beispielsweise Oxbow Brewing
mit „Luppolo“, Tributary Brewing mit „Italian Pilsner“ oder
Fort Point Beer aus San Francisco mit „Sfizio“. All diese
Brauer schwärmen vom Potenzial der klassischen europäischen
Hopfensorten.
Weitere Einblicke in die Welt der Hopfensorten und Hopfungstechniken
erfahren Interessierte in den Kursen und
Workshops der BarthHaas Hops Academy.
Mit freundlicher Unterstützung von BarthHaas
www.barthhaas.com
BRAUINDUSTRIE · 11/2021 23
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