Management-Praxis
Einfluss der Digitalisierung auf das Gehirn
Gehirn 4.0 oder Generation Goldfisch?
Ob selbstverständliche Standards oder neue Angebote – wie wir sie gerade alle
erleben – zu virtuellem Teamwork oder digital classrooms: Was macht das mit
unserem Gehirn? Stichworte wie „digitale Demenz” machen die Runde. Angeblich
ist unsere Konzentrationsspanne dabei geringer als die eines Goldfischs.
Das Rad zurückdrehen möchte niemand. Was bleibt, sind allerdings wichtige Fragen:
„Wie gehen wir am besten mit der Digitalisierung um, damit wir davon profitieren
können?“ und „Gibt es die Möglichkeit, nicht trotz, sondern durch digitale
Tools schneller, konzentrierter – und ausgeglichener im Sinne der Work-Life-
Balance – zu sein?“ Dieser Beitrag soll den Einfluss der Digitalisierung auf das
Gehirn – aus neurowissenschaftlicher Sicht – beleuchten.
Erinnern Sie sich noch an die ausufernden
Urlaubserzählungen von Freunden
mit Dias? Diese Teile, die man als Vorbereitung
mühsam eingerahmt hat und die
rettungslos durcheinander waren, wenn die
Box einmal runtergefallen ist. Gut für den,
der die Dias vorher durchnummeriert hat.
Heutzutage ist das nicht mehrvorstellbar
– wir sind im Zeitalter der Digitalisierung
angekommen.
Und dann kam die Digitalisierung
In der einfachsten Definition bedeutet Digitalisierung
die Umwandlung von analogen
Werten in digitale Formate, also vom schönen
bunten Dia zu Nullen und Einsen. Das
Diapositiv oder Fotonegativ als Bild auf unserem
Smartphone beliebig zu bearbeiten,
zu kopieren und zu verschicken. Tonbandaufnahme
und Schallplatte genießen wir in
digitaler Form als MP3-Format auf unseren
mobilen Geräten, von welchen wir sie jederzeit
und überall abhören können. Der
Übergang von der analogen in die digitale
Welt ging rasant vor sich. 1969 war die Geburtsstunde
des Internets, 2003 gilt schon als
Startpunkt des digitalen Zeitalters. Damals
gab es geschätzt bereits mehr Daten im digitalen
als im analogen Format. Schließlich
Google, der iPhone-Touchscreen, Messenger-
Dienste wie WhatsApp und jetzt autonom
fahrende Autos, 3D-Druck und Alexa. Die
Digitalisierung macht vor keinem Lebensbereich
halt. Kurz gesagt: Die digitalen Vorzüge
haben die allermeisten von uns schon längst
in ihr Leben integriert. Ob Basics wie Telefonspeicher,
Navi oder Kalender im Smartphone
– das Leben ist in diesem Sinne bequemer
geworden. Wir müssen uns nichts
mehr merken, weil wir alles ständig dabei
und griffbereit haben.
Gehirn-Basics
Kann unser Gehirn als circa zwei Millionen
Jahre altes, analoges Steinzeitgebilde überhaupt
mit der Digitalisierung zurechtkommen?
Dazu ist es wichtig, einige Basics über
das Gehirn zu kennen: Prinzipiell ist unser
Gehirn extrem wandelbar und anpassungsfähig.
Es ist zu grandiosen Leistungen fähig,
wenn es richtig benutzt wird. Wichtig
dafür ist erst einmal die Grundversorgung:
Die richtigen Nährstoffe und genügend Flüssigkeit.
Ausreichend Getränke über den Tag
verteilt und eine ausgewogene Ernährung
stellen die wichtige Basis für einen konzentrierten
und fokussierten digitalen Alltag dar.
Wenn unser Gehirn gut funktioniert, schüttet
es Botenstoffe und Hormone in den richtigen
Maßen aus, um uns am Leben zu erhalten
und uns mit unserer Umwelt interagieren
zu lassen. So sorgt zum Beispiel Serotonin
dafür, dass wir uns wohlfühlen und guter
Stimmung sind. Wenn wir ins Tun kommen
wollen, brauchen wir Dopamin, dessen Ausschüttung
unter anderem durch körperliche
Bewegung angeregt wird. Glückshormone,
sogenannte Opioide, schütten wir aus, wenn
wir ein Ziel erreicht haben. Diese sind allerdings
sehr kurzlebig, die Wirkung verpufft
rasch. Dann brauchen wir wieder Dopamin,
um ein neues Vorhaben anzugehen. Allerdings
speichert unser Gedächtnis die Erinnerung
an die schönen Gefühle der Glückshormone,
weshalb wir immer wieder danach
streben.
Ein wichtiger Faktor für die Leistungsfähigkeit
unseres Gehirns ist der Stresslevel, dem
wir unterliegen. Mäßiger Stress macht uns
konzentriert und aufmerksam. Wenn der
Stress hingegen zu viel wird, werden wir
vergesslich und unkonzentriert. Sehr starker
Stress über lange Zeit schädigt gar das Gehirn.
Wobei „starker Stress“ und „lange Zeit“
extrem unterschiedlich ausfallen – manches
Gehirn steckt jahrelangen extremen Stress
gut weg, wogegen andere Gehirne und de-
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