Dirk Reinsberg (li.) im Gespräch mit Holger Schmidt, der empfahl, bei den Plattform-Überlegungen
44 · GETRÄNKEFACHGROSSHANDEL 4/2021
unter Berücksichtigung neuer Mechanismen über den Tellerrand hinauszublicken.
würden die Erfolgskomponenten aus dem
B2C-Bereich in ein neues B2B-Geschäft
übertragen, die Plattformen würden dadurch
immer mehr verschwimmen.
Amazon beispielsweise verdiene mittlerweile
das meiste Geld nicht mehr mit eigenen
Angeboten, sondern mit Dritthändlern,
die dessen Plattform nutzten. Die
Schere zwischen Dritthändlern und eigener
Kaufkraft werde immer größer. Auch
verdiene Amazon zunehmend Geld mit auf
seiner Plattform geschalteten Werbung
Dritter. Aufgrund der Daten- und Logistikkompetenz
sei Amazon auch in der Lage,
sich immer neue Märkte zu erschließen.
Auch im Lebensmittelbereich seien
inzwischen viele neue Lieferdienste am
Start. Schmidt geht davon aus, dass sich
hier die Segmentierungen zunehmend
auflösen werden und beispielsweise Lebensmittel
zusammen mit Getränken geliefert
werden. Auch sei eine Konsolidierung
aufgrund des schärfer gewordenen
Wettbewerbs zu erwarten.
Der Digitalisierungsspezialist sprach
die Empfehlung aus, über die Branche
hinauszudenken und in die Überlegungen
neue Mechanismen, die genutzt werden
können, mit einzubeziehen. Entscheidend
sei es, möglichst viele Daten zu erheben,
die es ermöglichten, die Vorlieben des
Kunden so genau wie möglich zu kennen.
„Das Bescheid-Wissen über den Kunden
wird der neue Erfolgsfaktor werden“, erläuterte
Schmidt.
Der GFGH verfüge über einen besonderen
Vorteil: „Während sich andere erst Logistikstrukturen
aufbauen müssen, haben
Sie mit Ihrer bereits vorhandenen Logistik
einen entscheidenden Startvorteil!“, betonte
Schmidt und empfahl weiter: „Fangen
Sie mit Kundenbindungsprogrammen
an. Vor allem: Warten Sie nicht zu lange.“
Es sei höchste Zeit, darüber nachzudenken,
wie man die bereits vorhandenen
Daten weiterführend nutzen könne. Entsprechende
bereits bestehende erfolgreiche
Geschäftsmodelle anderer oder Elemente
daraus zu kopieren, sei ggf. ein
sinnvoller Mechanismus. Auch in schwierigen
Zeiten wie diesen solle man die
Chancen nutzen, die sich einem böten,
räumte Schmidt abschließend ein.
Fazit
Die Premiere der ersten digitalen Ausgabe
von GETRÄNKE. GROSS. HANDELN.
war erfolgreich und sehr gut gelungen.
Die Mitglieder erhielten in einem
zweistündigen Online-Stream, in kompakter
Form und kompetent präsentiert,
die wichtigsten Informationen zu
brandaktuellen Branchenthemen. Dass
der GFGH bereits einen entscheidenden
Startvorteil bei der Etablierung von Plattformökonomien
haben kann oder schon
hat, den er nutzen sollte, erfuhren die
Teilnehmer im spannenden Vortrag von
Holger Schmidt – alles in allem ein sehr
rundes Programm.
Gastgewerbe fordert Perspektiven und Ausgleich für „Sonderopfer“
Der DEHOGA-Bundesverband, mit dem auch der BV GFGH
sehr eng zusammenarbeitet, hat im Rahmen seiner Pressekonferenz
in Berlin auf die katastrophale Lage im Gastgewerbe
hingewiesen.
Dabei wurden die Ergebnisse der aktuellen Umfrage, bei der
sich neben Gastronomen und Hotelbetreibern auch der Getränkefachgroßhandel,
Brauereien, Getränkehersteller und weitere
Lieferanten und Partner der Gastronomie beteiligt haben,
präsentiert.
Demnach haben Restaurants und Hotels im Zuge der Corona
Krise nie dagewesene Umsatzverluste verzeichnet. Den
insgesamt 6.500 Umfrageteilnehmern zufolge beklagen die Betriebe
seit dem 01.03.2020 bis heute Umsatzeinbußen
von 63
Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Im Februar 2021
sank der Umsatz sogar um fast 78 Prozent.
Nach einem Jahr Corona sei die Not im Gastgewerbe riesig. Bis
Ende März habe sich die Branche seit Beginn der Pandemie
insgesamt sieben Monate im Lockdown befunden. Viele Betriebe
wie Discotheken und Clubs sind seit einem Jahr durchgehend
geschlossen. „In der Branche wachsen Verzweiflung,
Wut und Zukunftsängste dramatisch“, sagt Guido Zöllick,
Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes
(DEHOGA Bundesverband). Zöllick forderte einen konkreten
Fahrplan zur sicheren und verantwortungsvollen Öffnung
der Betriebe sowie schnelle und verbesserte Hilfszahlungen.
„Wenn die Politik dem Gastgewerbe erneut ein Sonderopfer
abverlangt, damit andere Wirtschaftszweige sowie Schulen
und Kitas geöffnet bleiben können, müssen die finanziellen
Ausfälle entschädigt werden. Die Hilfen sind aufzustocken und
zu verlängern.“
Corona-Krise trifft Gastgewerbe und seine
Partner besonders hart
Auch die Partner der Branche wie die Lebensmittel- und Getränkeindustrie,
Brauereien, Ausstatter, Einrichter, landwirtschaftlichen
Betriebe, der Großhandel und das Handwerk sind
massiv betroffen. Laut einer aktuellen DEHOGA-Umfrage, an
der sich 1.300 Zulieferfirmen beteiligt haben, beliefen sich die
Umsatzverluste aufgrund der Einschränkungen für das Gastgewerbe
in 2020 auf durchschnittlich 37,0 Prozent. Für Januar
und Februar 2021 beklagen die Unternehmen Einbußen in
Höhe von 46,5 Prozent. „Die Zahlen belegen die große Bedeutung
des Gastgewerbes für das Funktionieren der Wirtschaftskreisläufe
und für die Wertschöpfung über die Branchengrenzen
hinaus“, so Zöllick.