BIERTRINKEN MIT STIL
Verkosten in sehr großer Runde
Was wird von den Corona-Regeln bleiben, wenn wir in
absehbarer Zeit, ausgestattet mit einem „Grünen Pass“
wieder ins Theater, zu Festen, auf Reisen gehen dürfen?
Die Vorschriften zum Maskentragen werden wohl irgendwann
wegfallen – aber werden wird uns wieder daran gewöhnen,
anderen Menschen bei der Begrüßung die Hand
zu geben, sie vielleicht auch zu umarmen, wie man das
bis 2019 gewohnt gewesen ist?
Werden wir wie früher in großer Runde beim Bier zusammensitzen,
wie wir es gewohnt waren – und wie wir es
jetzt monatelang ersehnt haben? Werden wir uns wieder
die Nächte um die Ohren schlagen und von Lokal zu
Lokal ziehen? Werden wir lockere neue Bekanntschaften
machen und wie früher bei einem Bier über Gott und die
Welt philosophieren? Vielleicht. Aber sicher ist das keineswegs.
Womöglich haben sich manche Verhaltensweisen
nachhaltig geändert.
Die Managerin einer großen deutschen Brauerei hat mir
kürzlich erzählt, dass sie selbst jetzt viel seltener Bier trinke
als vor Corona – weil man eben nicht mehr schnell „auf
ein Bier“ zusammenkommt, sondern eher sich selbst mit
einem guten Bier am Abend „belohnt“. Ich wünsche ihr
von Herzen, dass sie sich häufige Belohnungen verdient!
50 · GETRÄNKEFACHGROSSHANDEL 4/2021
Andererseits gibt es durchaus auch angenehme Erfahrungen,
die für mich selbst noch vor einem Jahr unvorstellbar
gewesen wären. Damals waren der Reihe nach
alle Verkostungen, die ich für Getränkehändler, Gastronomen,
Unternehmen und Studentenverbindungen hätte
halten sollen, abgesagt worden. Es konnten eben nicht
mehr 15 bis 20 Personen zusammenkommen, um gemeinsam
den sensorischen Eigenschaften verschiedener
Biere nachzuspüren.
Aber der Wunsch danach ist geblieben. Nicht nur der
(vorläufig unerfüllbare) nach dem Zusammenkommen,
sondern auch der erfüllbare nach dem Kosten verschiedener
Biere. Und den Kommentar dazu, den kann man ja
auch über die uns nun zur beruflichen Gewohnheit gewordenen
elektronischen Besprechungssysteme vermitteln.
Das klappt inzwischen hervorragend – sogar besser als
bei Live-Events. Ein Getränkehändler hat mir vorgerechnet,
dass er früher für eine Präsenzverkostung bestenfalls
16 Kunden in seinen Verkostungsraum einladen konnte.
Bei einer gut geplanten Online-Verkostung sind aber im
Schnitt zwischen 100 und 120 Teilnehmer dabei – in seinem
Fall aus einem viel größeren Einzugsgebiet, weil er
die Verkostungspakete auch an Leute verschicken kann,
die niemals zu seinem Geschäftsstandort fahren würden.
So kann er seinem großen Online-Kundenstock gezielt
Themenabende anbieten – belgische Sauerbiere, amerikanische
Ales oder auch Pils-Variationen aus Deutschland
– und jeweils einen kompetenten Biersommelier engagieren,
der mit den angebotenen Produkten vertraut
ist. Zu einem an die Empfänger der Verkostungspakete
kommunizierten Zeitpunkt werden diese dann miteinander
und mit dem Profi-Vorkoster vernetzt und haben zwei
bis drei Stunden lehrreichen Spaß daheim.
Das alles zu Kosten, die für alle Beteiligten tragbar sind.
Man wird sich das merken müssen, weil die Infrastruktur
für Onlinekonferenzen nun einmal vorhanden ist und
deren Verwendung eingeübt wurde. Bei Online-Verkostungen
dürfte sie mindestens so viel Zukunft haben wie
das Homeoffice, von dem man derzeit nicht sicher sein
kann, wie sich das über die Jahre entwickeln wird.