BIERTRINKEN MIT STIL
Das Stout aus dem Schwarzwald
Kürzlich hatte ich Gelegenheit, ein paar Tage im Schwarzwald
zu verbringen und dabei die Familie Ketterer zu besuchen.
Das ist eine Brauerfamilie, deren Brauerei in Hornberg
einen erst vor wenigen Wochen durch die Freiburger
Historikerin Ida Vollmar erforschten Ursprung hat. Die
junge Forscherin hatte sich dem Thema „Unehelichkeit in
Südwestbaden im 19. Jahrhunderts“ gewidmet und war
auf die Taglöhnerin Theresia Ketterer gestoßen. Diese
war mangels Vermögen unverheiratet geblieben und hatte
ihren 1847 geborenen unehelichen Sohn Michael im Alter
von 14 Jahren gemeinsam mit einer Kuh an die damalige
Hornberger Schlossbrauerei abgegeben – man stellt das
als „Verkauf“ dar, weil die Kuh quasi das Lehrgeld für den
jungen Mann war.
Und Michael Ketterer nutzte seine Chance: Er absolvierte
die Brauerlehre, ging auf Wanderschaft, bewährte sich als
Vorderbursche und heiratete 1877 in eine kleine Gastwirtschaft
mit Hausbrauerei ein – den Nukleus für die heutige
Brauerei Ketterer.
Aber diese neu aufgerollte Familiengeschichte war nicht
der wahre Grund meines Besuchs. Der galt vielmehr einem
besonderen Bier, dessen Ursprung in einem langen Gespräch
liegt, das ich mit Seniorchef Michael Ketterer (dem
Ururenkel des Brauereigründers) vor mehr als 20 Jahren
geführt habe. Es ging darum, dass wir beide gerne
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Stoutbier trinken – und dass es doch interessant wäre,
ein Stout in Bockbierstärke zu brauen. Das war damals
in Deutschland noch unüblich: Den Bierstil Imperial Stout
kannten damals hierzulande nicht einmal Fachleute. Und
schon gar nicht die Konsumenten im Schwarzwald. Das
das 7,5 Prozent starke, tiefschwarze und mit Stouthefe
vergorene Starkbier wurde also als „Schützen-Bock“ in
die traditionellen Bügelverschlussflaschen gefüllt.
Ende der 1990er Jahre hätte wohl niemand geglaubt, dass
ihm damit ein Bier vorgesetzt würde, das mit jenen stark
eingebrauten Stouts verwandt ist, die im England des 19.
Jahrhunderts für den russischen Zarenhof gebraut wurden
und daher als „(Russian) Imperial Stout“ einen sehr
exklusiven Charakter hatten.
Das Besondere an jenen englischen Bieren war, dass sie
– durch hohen Alkoholgehalt und die dunklen Malze vor
vielen möglichen Fehlgeschmäckern geschützt – in der
Flasche ziemlich lange weiterreifen können. Die dafür notwendige
jahrelange Geduld haben im Schwarzwald natürlich
nicht sehr viele Konsumenten aufgebracht.
Wer aber einige „Fläschle“ zurückgelegt hat, wird für das
Warten mit einem außergewöhnlichen Genuss belohnt.
Zum Beispiel jene Probe aus dem Herbst 2005, die ich
soeben dekantiert habe. Tiefschwarz und ohne Schaum
liegt das Bier im Kostglas. Es verströmt einen intensiven
Duft nach Kakao und Edelbitter-Schokolade – und bietet
dasselbe auch im Trunk. Er startet mit leichter Süße,
einem fast cremigen Mundgefühl, der an Schokopudding
erinnert. Dazu eine wärmende, alkoholische Schärfe und
retronasal Aromen von Kirsche – wer würde da nicht gleich
an Schwarzwälder Kirsch denken? Eine leichte Bittere
zeigt sich nur im Nachtrunk.
Die Geschichte setzt sich aber fort: Seit einigen Jahren
wird das Bier tatsächlich als „Black Forest Stout“ etikettiert
und hat gute Aufnahme in der Craftbier-Community
gefunden. Allerdings ist es mit knapp sechs Prozent Alkohol
deutlich leichter – ob die aktuelle Version auch in
16 Jahren noch schmecken wird, muss sich erst zeigen.