Etikettencheck
Das Bieretikett hat allerlei Funktionen. Es transportiert die Marke,
liefert rechtlich unentbehrliche Fakten und ist Informationsquelle
für den Endkonsumenten. Hierbei gibt es noch Luft nach oben.
„Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es
nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann,
wenn man nichts mehr weglassen kann.“
(Antoine de Saint-Exupéry)
Nach diesem Credo wurden in der Vergangenheit
vielfach Etiketten gestaltet. Die Flasche sollte
ein Gesamtkunstwerk sein, der Kaufimpuls dann
über Emotion, rasche Erfassung von Strukturen,
Formen und Farben erfolgen. Der Inhalt, das Bier,
wurde nicht so bedeutend wie die Qualität der
Hülle gesehen. Entsprechend rar waren die Bierinformationen
für den Verbraucher.
Bierkonsument 2.0
„Reduce to the max“ (Mercedes Benz) gilt zwar
en gros immer noch. Doch es tut sich was. Die
Kompetenz der Konsumenten in Sachen Bier
steigt stetig. Praktizierende Diplom Biersom-
meliers mit Vorbildfunktion sind wichtige Multi-
plikatoren, dazu kommen zahlreiche Absolventen
von Bierbasisausbildungen, der Boom der Heimbrauerszene
und ein breites, öffentlich verfügbares
Bierwissen durch Biermagazine, Blogs, Bierfestivals
& Co. Wir haben zunehmend biermündige
Bierkonsumenten, die ihre Kaufentscheidung
auch nach den inneren Werten ausrichten.
P, A, IBU, C in EBC – Angaben sind in der Biernerd
Szene das Minimum. Dazu eine vollständige
sensorische Kurzbeschreibung und Tipps
zu Genussanlässen und -kombinationen, die bei
Kulinarien und Tastings essenziell sein können.
Hinweise zu den eingesetzten Rohstoffen, vom
Terroir des verbrauten Malzes, über die exklusive
Mischung an Flavour-Hopfensorten und des Hefestamms
verzücken. Dazu noch eine Prise „Storytelling“,
die das Bier einzigartig macht, ein paar
knappe Hinweise zur Trinktemperatur und der
idealen Glaswahl und fertig ist der perfekte Informations
Cocktail für den Bierkonsumenten 2.0.
„Litfaßsäule“ Etikett?
Was sich leicht anhört, ist in der praktischen
Umsetzung eine Herkules-Aufgabe. Das beginnt
schon beim Informationsfluss zwischen Braumeister
und Marketing oder bei den Bestell-
mengen für die Etiketten, die nicht dem Rhythmus
der brautechnologischen Optimierungen folgen.
BIERACULIX
Die Kolumne von
Da tauchen dann Hopfensorten auf dem Etikett
auf, die schon monatelang nicht mehr eingesetzt
werden, oder Bitterwerte, die zu den aktuellen
analytischen Ergebnissen völlig konträr laufen.
Auch die Umsetzung von sensorischen Eindrücken
in vordergründig leicht verständliche Texte
und Grafiken kann durch hohe Abstraktionsgrade
eher zur allgemeinen Verwirrung beitragen. Da
wird dann aus der guten Drinkability schon mal
eine gute „Durchtrinkbarkeit“.
Beim „Storytelling“ haben gefühlte 90 Prozent der
Brauereien „die beste Bierqualität“ als Alleinstellungsmerkmal.
Und 99 Prozent sehen den wertvollen
Etikettenplatz mit dem Hinweis „gebraut
nach dem deutschen/bayerischen Reinheitsgebot
von 1516“ bestens ausgefüllt. Das scheint
also ein einzigartiges Kaufargument zu sein. Hier
wäre mehr Kreativität bei der Ausgestaltung der
USPs gefragt.
Antoine hat recht
Zukünftig wird es die Kunst sein, die Wünsche
der Biertrinker nach sensorischen und technologischen
Background-Infos ebenso zu erfüllen wie
die rechtlichen Aspekte. Und dann diesen Informationsmix
mit dem Corporate Design in einen
einzigartigen Look zu gießen.
So gesehen gilt wieder „weniger ist mehr“, um
alle diese Anforderungen erfüllen zu können.
Axel Kiesbye
Der gelernte Dipl.-Ing. für Brau-
wesen leitet die Kiesbye Akade-
mie in der Nähe von Salzburg.
Er hat die Ausbildung zum Diplom-
Biersommelier initiiert. Seine Firma
bietet High-End-Seminare und
Beratungen zu bierkulturellen und
brautechnologischen Frage-
stellungen an.
Kontakt: info@bierkulturhaus.com
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