Hand und Fuß
Ist der Mensch (noch) das Maß aller Dinge?
Besteht das Leben aus einer Aneinanderreihung von Zufällen, werden
Ergebnisse mit wissenschaftlich anerkannten Methoden hart erarbeitet oder
bestimmt ein Gott vollständig das Geschehen? Ist das metrische Maßsystem als
Naturgesetz entstanden? Ist das angloamerikanische Maßsystem wirklich so unlogisch
und kompliziert? Gibt es überhaupt EIN angloamerikanisches Maßsystem oder sogar
mehrere? Wie entstehen Normalwerte? Ist Europa durchgängig metrisch? In
Ermangelung besserer Messmethoden war der Mensch über Jahrtausende das
Maß aller Dinge und auch heutige Maßeinheiten entsprechen regelmäßig
nur den nun anders spezifizierten alten Maßeinheiten.
Offiziell wurde das metrische System
in Deutschland im Jahre
1872 eingeführt, aber noch heute
wird gefragt, wie viele Pferdestärken
ein Auto hat. Mediziner verwenden
als gesetzliche Einheit für den Blutdruck
und den Druck anderer Körperflüssigkeiten
die mm Quecksilbersäule.
Auch im Bereich der Beatmung
rechnen Mediziner weltweit gerne
mit mmHg, obwohl die Einheit dafür
nicht vorgesehen ist. Den Blutdruck in
hPa oder psi pounds per square inch
(1 bar ~ 14,504 psi) umzurechnen, ist
ungebräuchlich. Bei kleinen Drücken
wird in den USA die Quecksilbersäule
in Zoll inch; 1 Zoll = 25,4 mm
gemessen. Zwölf Zoll ergeben einen
Fuß und drei Fuß im Imperial-System
ein Yard. Im US-System wird
das Yard nicht genutzt, die Flughöhe
wird üblicherweise im US-System in
Füßen angegeben. Wer jetzt denkt,
ein Yard könnte einer Schrittlänge
entsprechen, der irrt sich. Die Meile
wurde von den Römern eingeführt
und entspricht 1 000 Schritten des
rechten Beins. Eine Meile entspricht
1 609,344 m, das heißt, ein „Standardschritt“
sind nur 2 Fuß und 8 Zoll.
Gewicht und Volumen
Auch das Pfund war noch in den
1970ern auf jedem Wochenmarkt
eine gebräuchliche Maßeinheit, wobei
ein Pfund zu dieser Zeit in Deutschland
einheitlich 500 g maß. Früher
war das Pfund auch in Deutschland
meist kleiner. In Großbritannien GB
wiegt ein Pfund im Handel short
pound 453,59237 g und besteht aus
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16 Unzen, das „troy pound“, das z.B.
Apotheker verwenden, besteht nur
aus 12 Unzen und ist trotzdem nicht
um 25 Prozent leichter, denn es besteht
aus 12 Apotheker-Unzen und
wiegt statt 340 rund 373 g. Das britische
System wird zur Unterscheidung
zum USA-System us international
als Imperial imp bezeichnet.
Beim „normalen“ Gewichts-Pfund
unterscheiden sich die beiden „anglo-
amerikanischen“ Systeme nicht.
In Großbritannien werden heute
14 Pfund als Stein stone bezeichnet,
im US-System ist dies hingegen
unbekannt. Natürlich war dies früher
nicht einheitlich geregelt. Noch vor
wenigen Jahren war es „normal“,
dass in England eine Spirituose im
Pub 1/6 Gill maß, in Schottland hingegen
bekam man einen größeren
Schnaps, denn hier wurde 1/5 Gill
ausgeschenkt. Ein Gill entspricht
einer Teetasse tea cup gleich einer
halben Standardtasse oder ¼ pint.
Ein Pint ist ½ Quart. Somit entsprach
der Schnaps in Schottland 2,8 cl und
in England nur 2,4 cl. In den USA hat
eine 12 Unzen (Bier-)Flasche einen
Inhalt von 355 ml, im „metrischen“
Kanada wird Bier in 341 ml Flaschen
abgefüllt. Es verwundert nicht, dass
die 341 ml auch 12 Unzen – jedoch
„imp.“ – entsprechen.
Die Gallone besteht immer aus
4 Quarts, ein us-quart besteht aber
aus 32 und ein imp-quart aus 40
Unzen. Da ein imp-quart 1,137 Litern
entspricht, hat die kanadische
Molkereiindustrie das metrische System
„konsequent“ umgesetzt und
verkauft Milch nun in (den kleineren)
1-Liter-Packungen.
Anfang der 1980er-Jahre gab es Bestrebungen
in den USA, das metrische
System einzuführen. Einer der
Haupttreiber war die Mineralölindustrie,
denn als der Preis für eine Gallone
Benzin auf über einen Dollar anstieg,
hätten alle Zapfsäulen für die zusätzliche
Dezimalstelle umgerüstet werden
müssen. Viele Kunden mieden die
„fortschrittlichen“ Tankstellen, die ihr
Benzin in Litern verkauften, sodass
diese zurück zur Gallone wechselten
und alle Zapfsäulen der USA umgerüstet
oder ausgetauscht wurden.
Neben der Gallone für Flüssigkeiten,
kennt man im US-System auch Gallonen
für trockene Stoffe, 1 US.dry.gal.
entspricht gut 4,4 Liter. Gebräuchlicher
ist jedoch insbesondere beim
Getreidehandel das Scheffel (bushel)
mit einem Volumen von ca. 35,239 Litern.
Obwohl Getreide und auch Malz
häufig in Scheffel verkauft werden,
wird für jedes Handelsgut ein festes
„Norm-Schüttgewicht“ angenommen,
das unabhängig vom tatsächlichen
Schüttgewicht ist.
Thermodynamik
Die Kühlleistung der in Deutschland
verkauften Klimageräte wird gerne in
BTU / h (oder fehlerhaft bei Importen
aus Ostasien auch gerne nur in BTU)
angegeben. In Nordamerika (d.h.
auch in Kanada) ist es gebräuchlich,
bei Großkälteanlagen die Kälteleistung
in Tonnen tons of refrigeration,
TR oder TOR anzugeben. Die BTU
British Thermal Unit ist die Energiemenge,
die benötigt wird, um ein
Pfund Wasser, um ein Grad Fahren